Der angeborene Hydrozephalus internus bei Hund und Katze

Der angeborene Hydrozephalus internus (HI) ist eine schwerwiegende Missbildung des Gehirns bei Hund und Katze. Das Wort Hydrozephalus bedeutet „Wasserkopf“

Das Gehirn und die Gehirnflüssigkeit.

Das Gehirn von Mensch und Tier verfügt über ein inneres Hohlraumsystem (Ventrikel), in welches ständig eine wässrige Flüssigkeit, der so genannte Liquor, abgegeben wird. Diese Flüssigkeit transportiert Abfallstoffe des Gehirnes aber auch wichtige Botenstoffe zwischen verschiedenen Gehirnregionen. Der Liquor wird unterhalb des Kleinhirnes aus dem Gehirn heraus transportiert und fließt zwischen das Gehirn und die Hirnhaut. Hier übernimmt der Liquor eine weitere wichtige Aufgabe, denn das Gehirn schwimmt in dieser Flüssigkeit, sie macht es leichter und schützt es vor Verletzungen wie ein Wasserkissen.
Da die Gehirnflüssigkeit ständig nachproduziert wird verlässt sie  den Zwischenraum wieder und wird über die Blutgefäße abtransportiert. Zwischen Produktion und Abtransport besteht beim gesunden Tier ein Gleichgewicht.
 

 

Darstellung eines normalen Hundegehirnes mit dem inneren Hohlraumsystem (Ventrikel) und eines Hundegehirnes mit Hydrozephalus. Die Ventrikel sind stark erweitert und das Gehirngewebe hat sich weitgehend abgebaut.

 

Beispiele für Schädelmissbildungen als Folge eines Hydrozephalus internus bei einem Katzen- und einem Hundewelpen. Der Stirnbereich des Schädels ist kuppelförmig aufgeworfen und zur Seite verbreitert. Die Augenhöhlen werden nach unten und zur Seite gedrückt, wodurch sich das Schielen der Tiere entwickelt. 

 


Durch nicht genau bekannte Ursachen kommt es zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Produktion und Aufnahme der Gehirnflüssigkeit. Dies entsteht oft schon im Mutterleib, es kann aber auch erst innerhalb der ersten Lebensmonate auftreten.  Durch das gestörte Gleichgewicht staut sich der Liquor innerhalb der Gehirnventrikel an. Da das Gehirn eine sehr weiche Konsistenz hat, gibt es dem zunehmenden Druck nach und die Ventrikel erweitern sich. Ein „Wasserkopf“ entsteht, der eigentlich besser „Wassergehirn“ heißen sollte.

Zu Beginn der Stauung haben die Tiere wenn überhaupt nur wenig sichtbare Krankheitsanzeichen.  Sie sind müde und lustlos. Steigt der Druck an kommt es zu schwerwiegenden Störungen. Bei Jungtieren, bei denen die Wachstumsfugen des Kopfes noch offen sind, wird der Schädel nach und nach größer und verformt sich sichtbar. Die Gehirnsubstanz baut sich nach und nach ab. Die Tiere werden blind und fangen an zu schielen. Sie taumeln und haben Schwierigkeiten aufzustehen. Meistens sind die betroffenen Welpen kleiner als ihre Geschwister. Auch können sie den Kopf schräg halten und sich um sich selber drehen.

Bei älteren Tieren, bei denen die Schädelnähte geschlossen sind, fällt keine Umfangsvermehrung des Schädels auf. Da der Knochen nicht nachgeben kann, entwickeln sich bei diesen Tieren oft schnell und unvermittelt Symptome. Bei den älteren Tieren kann das Gehirn dem Druck der Flüssigkeit nicht nachgeben und wird von innen heraus gegen den Knochen gedrückt. Das führt zu anderen Symptomen als bei den Welpen. Solche Patienten zeigen epileptische Krampfanfälle mit rhythmischen Zuckungen der Gliedmaßen, Bewußtseinsverlust, Speicheln und unwillkürlichem Urin- und Kotabsatz. Diese epileptischen Anfälle sind nur schwer unter Kontrolle zu bringen. 


Die Diagnose kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Bei noch offenen Wachstumsfugen kann ein Ultraschall die erweiterten Ventrikel darstellen. Allerdings ist mit diesem bildgebenden Verfahren keine Unterscheidung zu anderen Missbildungen möglich, die ähnlich aussehen, allerdings nicht behandelbar sind (z.B. Hydranenzephalie). An sichersten ist eine Kernspintomographie die genaue Aussagen über Art und Ausmaß des Hydrozephalus zulässt. Darüber hinaus können andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Zusätzlich sollte eine Untersuchung der Hirnflüssigkeit erfolgen, um eine Infektion des Gehirnes zu entdecken. 

 

Beispiel für eine Kernspintomographie des Gehirns eines normalen Hundes (A) und eines Hundes mit Hydrozephalus. Die Gehirnflüssigkeit (Liquor) stellt sich hell weiß dar. Während diese Flüssigkeit im normalen Gehirn nur einen kleinen Teil ausmacht, ist im rechten Bild fast das ganze Gewebe des Gehirnes durch Flüssigkeit ersetzt.

 


 

Da eine Verschiebung des Gleichgewichtes zwischen Produktion und Aufnahme des Liquors besteht, besteht eine Strategie der Behandlung in der Unterdrückung der Liquorproduktion im Gehirn. Dazu werden verschiedene Medikamente eingesetzt die lebenslang eingenommen werden müssen. Neuere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die medikamentelle Behandlung die Produktion beim Hund nur unzureichend unterdrückt, und das Gehirngewebe weiter abgebaut wird. Daher empfehlen wir die medikamentelle Therapie nur vorübergehend, bis eine Operation durchgeführt werden kann. Die Operation versucht über einen anderen Mechanismus das Gleichgewicht wieder herzustellen. Über ein spezielles Schlauchsystem, dass aus der Kinderchirurgie übernommen wurde, dem so genannten „ventrikulo-peritonealen Shunt“,  wird eine Verbindung zwischen dem Ventrikelsystem und dem Bauchraum der Tiere hergestellt. Dadurch wird der Druck abgelassen und es kann dauerhaft eine Entlastung des Gehirnes erfolgen.

 
Chirurgische Behandlung des Hydrozephalus bei einem Hund. Ein Schlauchsystem verläuft unter der Haut zwischen Gehirn und Bauchraum des Tieres. Über diesen sogenannten ventrikulo-peritonealen Shunt kann der Liquor ablaufen und der Druck im Gehirn sinkt.

Erfolgsaussichten

Wie bei jeder Schädigung eines Gewebes gilt, je schneller die Schädigung beseitigt wird, desto eher kann sich das Gehirn erholen. Wird zu einem Zeitpunkt operiert, an dem das Gehirn erst beginnt sich zu erweitern und noch nicht zu viel Gewebe geschädigt ist, kann sich das Gehirn vollständig erholen. Die Symptome können ebenfalls vollständig verschwinden. Ist der Hydrozephalus weiter fortgeschritten, kann oftmals eine Blindheit der Tiere zurückbleiben. Auch sind solche Patienten weniger gelehrig und können ihre Stubenreinheit verlieren oder nicht erwerben. Ihre Lebensqualität ist aber gut. Wir haben Patienten, die nach Einsetzen eines Shuntes noch 10 Jahre ein normales Leben geführt haben.